Vor 85 Jahren marschiert Hitler in Polen ein – Kinder von damals erinnern sich

Das legendäre Datum «1. September 1939» hat sich bei vielen Schweizer Kindern von damals eingebrannt, als wäre es gestern gewesen. Geschichten von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen wurden im digitalen Buch «Schweizer Jugend im Zweiten Weltkrieg» eingefangen und Schulen und Interessierten kostenlos zur Verfügung gestellt.

(Quelle: Sammlung Max Baumann, Stilli) Postkarte mit Stimmungsbildern aus «Stilli»

Die Erinnerungen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen lassen die Mobilmachung plastisch erscheinen. Kaum jemand stellt die Frage: «Wie haben Kinder und Jugendliche der Kriegsgeneration den Tag der Mobilmachung erlebt?» Im digitalen Buch des «Vereins für zeitgemässes Lernen» kommen sie zu Wort.

Kriegsausbruch
«Extrablatt, Extrablatt», schrien am Nachmittag des 1. September 1939 die Zeitungsverkäufer in Basels Strassen. Mit einer Sonderausgabe kündigten sie das Ereignis des Tages an: Den Angriff der Deutschen Wehrmacht auf Polen. Fernseher in jedem Haushalt oder Social Media gab es damals noch nicht.

(Quelle: Sammlung Max Baumann, Stilli) Der Gasthof «Aarebrücke» diente während des 2. Weltkrieges als Militärunterkunft.

In der Familie der Zeitzeugin Myrthe in Basel las man die Zeitung – das Extrablatt. An diesem Tag lernte das elfjährige Mädchen, wie man «mit einem Trick die Militärmäntel («Kaputt») ihrer beiden wehrpflichtigen Onkel einrollen konnte, die unverzüglich ihre Sachen packen und einrücken mussten.

Pathetisch fasste die «Schweizer Wochenschau» in einem Film Dokument zusammen: «Am 1. September 1939 brach in Europa der Krieg aus. Die Armee war sofort mobilisiert. Die Sense wurde mit dem Gewehr vertauscht.»

Hitler Stimme jagte mir Angst ein
Bei Charlotte, einer Zeitzeugin aus Zürich, lief das Radio und es herrschte helle Aufregung, als sie von der Schule kam. «Krieg» – was das bedeutete, wusste sie aufgrund von Radio Beromünster jedoch nur ansatzweise. Charlotte, erst neunjährig, versteckte sich jeweils unter der Bettdecke und hielte sich die Ohren zu, wenn Hitlers Stimme in der Vorkriegszeit im Radio «ins Mikrophon ‹inegeuste›»: «Ich wollte die schreckliche Stimme nicht hören», erzählt sie im digitalen Buch. Krieg muss genauso schrecklich wie Hitler sein, sagte sie sich.

(Quelle: Zeitzeugen zVg) Erinnerungsfoto vor der Mobilmachung mit Erikas (rechts im Bild) Vater und Schwester.

«Allzeit bereit»
In lebendigen Worten erzählt die Zeitzeugin Erika, wie sich der Vater bei Kriegsausbruch in die Uniform stürzte, und sie als Siebenjährige im Röcklein zusammen mit ihrer Schwester aufs Dach stieg, um mit ihm ein Foto zu machen. Die Schwester hatte die Pfadi-Uniform angezogen und wollte zusammen mit dem Vater den Wehrwillen zeigen: «Allzeit bereit!» Unverzüglich wollte die kleine Erika ebenfalls den Pfadfindern, den «Bienli», beitreten.

Gasthof «beschlagnahmt»
Im aargauischen «Stilli» an der Landesgrenze, im Gasthof der damals 13-jährigen Rita, zog das Militär ein. Das Restaurant wurde zum «Kantonnement», zur Militärunterkunft, umfunktioniert. Sogar die private Küche wurde «beschlagnahmt». «Defacto hatten wir nur noch das Schlafzimmer für uns», erzählt Rita und erinnert sich, wie die «Ausgemusterten» (ältere, nicht mehr dienstpflichtige Soldaten) bei ständigem Jassen die Aarebrücke «überwachten».

(Quelle: Zeitzeugen zVg) Rita, eine fröhliche Jugendliche, bei Kriegsausbruch 1939.

Für viele Zeitzeuginnen und Zeitzeugen war prägend, als der Vater ins Militär einrückte und die Mutter im Haus das Zepter übernahm. Was Krieg bedeutet, konnten die Kinder zum Zeitpunkt der Mobilmachung nicht wirklich einordnen.

In der aktuellen politischen Lage ist es von grosser Wichtigkeit in den Schulen die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen der damaligen Kriegsgeneration zu Wort kommen zu lassen und zu thematisieren.

Emma meinte kürzlich: «Ich würde mich bei einem Krieg auch um das Leben meines Vaters sorgen und um die Sicherheit unseres Landes!» Dieses Statement ist exemplarisch, wie Jugendliche die Ereignisse der damaligen Zeit in die Gegenwart übertragen.

Erika Bigler, Sekundarlehrerin
und Präsidentin «Verein für zeitgemässes Lernen»
www.erikabigler.ch

www.ch-jugend2wk.ch

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