«Ein Beispiel für innovative Museumsarbeit sein»

Marco Sigg, der neue Direktor von Museum Aargau, ist seit rund vier Monaten im Amt. Die grosse Ausstrahlung des Museums mit zehn Standorten fasziniert ihn ebenso wie das Vermitteln von Geschichte an ein interessiertes Publikum. Er gibt einen Einblick in die Highlights der diesjährigen Saison, das vielfältige Rahmenprogramm sowie die Museumsarbeit.

(Bild: zVg) Marco Sigg, neuer Direktor des Museums Aargau: «Es braucht keine besonderen Technologien, um Geschichte lebhaft zu vermitteln. Es braucht aber eine gewisse Leidenschaft für Geschichte und für Menschen.»

Sie sind seit anfangs Januar der neue Direktor des Museums Aargau. Wie war Ihr Einstand, respektive welche Bilanz können Sie ziehen?
Marco Sigg: Für eine Bilanz ist es noch etwas früh. Aber ich hatte einen spannenden Einstieg und durfte viel Neues kennenlernen. Auch wenn Museen ähnlich funktionieren, so hat doch jedes seine Eigenart. Es ging mir darum, die Strukturen und Menschen hinter dem Museum Aargau kennenzulernen. Und nun, nach der Eröffnung der Museumssaison, natürlich auch den Publikumsbetrieb.

Was hat Sie von Zug in den Aargau verschlagen?
Das Museum Aargau hat eine grosse Ausstrahlung in die Museumslandschaft. Die Verknüpfung von Antike, Mittelalter, Klöstern bis hin zur Industriegeschichte, vieles an historischen Standorten, ist einzigartig. Das reizte mich.

Sie sind promovierter Historiker und Museologe. Was fasziniert Sie an der Geschichte, respektive an Ihrem Beruf?
Mich interessierte schon immer, was früher geschah und welche Auswirkungen dies auf unsere heutige Gesellschaft hatte. Nur wer die eigene Geschichte kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten. Und Geschichte boomt! Im Unterricht, in der Vermittlung oder in Ausstellungen und Projekten merke ich immer wieder, wie interessiert viele Leute an der Geschichte sind. Geschichte dem Publikum zu vermitteln ist eine sehr bereichernde Aufgabe.

Wie hat das Museum Aargau die Saison 2023 abgeschlossen?
Museum Aargau verzeichnete 2023 303’220 Besucherinnen und Besucher. Unter anderem eröffnete Museum Aargau im vergangenen Jahr das erweiterte Sammlungszentrum Egliswil. Auf Schloss Lenzburg verzauberte die Sonderausstellung zum Einhorn nicht nur die kleinen Gäste. Die Ausstellung zum Fabelwesen kann auch noch im Jahr 2024 besucht werden. Unter dem Titel «Erlebnis Mittelalter – Bauernalltag auf dem Hof» konnten Besucherinnen und Besucher rund ums Schloss Hallwyl an vier Wochenenden die Entwicklung eines Bauernhofes erleben. Und auf der Klosterhalbinsel Wettingen wurden die Klosterspiele «AVE MARIS STELLA» aufgeführt. Museum Aargau publizierte 2023 zudem im Rahmen der 2020 lancierten Reihe «Aargauer Industriegeschichten» Band 2 zur Geschichte der Familie und Firma «Zweifel».

(Bild: Museum Aargau) Ein Erlebnis: Die Führungen durch den Schlosspark Wildegg.

Welchen ersten Eindruck haben Sie vom ihren «neuen Reich» mit den zehn Standorten?
Das Museum Aargau deckt inhaltlich eine unglaubliche Vielfalt ab – 2000 Jahre Geschichte. Dabei entdecke ich auch den Aargau geografisch neu, nämlich abseits der Autobahn und der bekannten Städte. Allerdings ist es auch nicht ganz einfach, diesen grossen und dezentral organisierten Betrieb zu führen.

Das Ausstellungsjahr steht unter dem Motto «Reisen». Wohin geht die Reise?
Wir haben 2024 kein Jahresthema, thematisieren das Thema «Reisen» aber in zwei Kabinettausstellungen. Auf Schloss Wildegg werden anhand ausgewählter Werke aus der Bibliothek der Familie von Effinger die Italienreisen im Rahmen der «Grand Tour» und der frühe Schweizer Tourismus näher beleuchtet. Auf Schloss Hallwyl ist es Johannes von Hallwyl, den wir in den Fokus rücken und der als französischer Hauptmann im 18. Jahrhundert auch nach Haiti kam.

Was sind die Highlights in dieser Saison?
Im Legionärspfad Vindonissa wird im August 2024 eine authentisch rekonstruierte römische Schmiede eröffnet. Dies ist ein weiteres Vermittlungsangebot rund um das Schmiedehandwerk und die Metallverarbeitung im Legionslager Vindonissa. Unser Publikum, insbesondere Familien, kann in der römischen Schmiede unter fachlicher Anleitung selber einfache Objekte herstellen.
In der Dauerausstellung auf Schloss Hallwyl wird Hans von Hallwyl und dessen Zeit ausführlicher thematisiert. Am Beispiel seiner Biografie geht Museum Aargau der Frage nach, welche politische, soziokulturelle und ökonomische Rolle Adlige in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Schweiz spielten.
Auf Schloss Wildegg eröffnet Museum Aargau im Schlossrebberg einen Rebpfad mit interaktiven Stationen zur Geschichte des Weinbaus auf der Schlossdomäne. Unsere Besucherinnen und Besucher lernen dort die Arbeiten, welche durchs Jahr im Rebberg anstanden, näher kennen und erfahren, welche Bedeutung der Weinbau für die Schlossdomäne hatte.

Wie sieht das Rahmenprogramm aus und was ist hier besonders gefragt?
Wir haben wie jedes Jahr über 200 Veranstaltungen und zusätzlich auf den Standorten diverse Führungen und Workshops für Schulen und Gruppen. Ob Falkner-Show, Mittelaltertage, Familiensonntage bei den Legionären, Dinieren in der Belle Epoque bis zum Objekt-Talk im Sammlungszentrum – es findet sich wohl für alle etwas.

Mit welchen Technologien und Methoden arbeiten Sie gerne um die «verstaubte» Geschichte in die heutige Zeit zu transferieren und dem Publikum attraktiv zu erzählen?
Wie gesagt, Geschichte boomt. Es braucht keine besonderen Technologien, um Geschichte lebhaft zu vermitteln. Es braucht aber eine gewisse Leidenschaft für Geschichte und für Menschen. Im Museum Aargau machen wir Geschichte, wenn immer möglich als sinnliches Erlebnis am originalen Schauplatz erfahrbar. Bei uns können sie schmieden wie ein römischer Legionär, kochen wie im Mittelalter oder dinieren wie in der Belle Époque um 1900. Dieses Eintauchen in die Geschichte ist bei unserem Publikum sehr beliebt.

Mit 300’000 Besuchern im Jahr gehört das Museum Aargau zu den beliebtesten Kulturinstitutionen im Kanton. Was ist Ihr Ziel für die Publikumszahlen?
Wir haben als kantonale Institution einen kulturellen Auftrag: Geschichte vermitteln und Teilhabe der Bevölkerung zu ermöglichen. Die Publikumszahlen werden gerne als Gradmesser genommen, sind aber nicht alleine ausschlaggebend. Es geht nicht darum, so und so viele Gäste mehr zu haben, sondern vielmehr darum, unseren Auftrag umzusetzen.

Welche Bedeutung hat das Museum Aargau national und international?
Das Museum Aargau gehört zu den grössten Museen in der Schweiz. Wir sind zudem Mitglied im Verband «Die Schweizer Schlösser» und können dadurch auch internationale Touristinnen und Touristen erreichen.

Welche Projekte, Pläne und Vision haben Sie für das Museum Aargau?
Museumsarbeit wird langfristig gedacht, es gibt eine Planung über mehrere Jahre. Das heisst, es sind bereits Projekte für das Kloster Königsfelden, das Schloss Habsburg oder die Positionierung des Aargaus als Stammlande der Habsburger angestossen, die ich nun mit meinem Team weiterführen werde. Daneben werde ich in meinem ersten Amtsjahr vor allem analysieren, um daraus Entwicklungsschritte für die Zukunft abzuleiten – auch dies mit meiner Geschäftsleitung. Strategisches Ziel wird sicher sein, dass wir unsere führende Rolle im Angebot und der Vermittlung beibehalten können. Unser Programm soll ein Beispiel sein für innovative Museumsarbeit.

Interview: Corinne Remund


Museum Aargau – Geschichte am Schauplatz erleben

Schloss Lenzburg
Ritter und Drachenschloss
www.museumaargau.ch/schlosslenzburg

Schloss Hallwyl
Kultur- und Naturerlebnis
www.schlosshallwyl.ch

Schloss Habsburg
Stammschloss der Habsburger
www.schlosshabsburg.ch

Schloss Wildegg
Barockes Schloss- und Gartenerlebnis
www.schlosswildegg.ch

Klosterhalbinsel Wettingen
Glaube, Macht, Wissen
www.klosterhalbinselwettingen.ch

Kloster Königsfelden
Erinnerungsort der Habsburger
www.klosterkoenigsfelden.ch

Legionärspfad Vindonissa
Römischer Fund aus 100 Jahre Forschung
www.vindonissamuseum.ch

Sammlungszentrum Egliswil
Schatzkammer der Sammlung
www.sammlungszentrumegliswil.ch

Industriekultour Aabach
Virtuell durch die Industriegeschichte
www.industriekultour-aabach.ch


ZUR PERSON

Marco Sigg ist seit anfangs Jahr als Direktor für die zehn Standorte vom Museum Aargau tätig. Der promovierte Historiker und Museologe leitet davor während sechs Jahren das historische Museum Burg in Zug und vertrat dieses im Verband Schweizer Schlösser. Zuletzt oblag ihm die aufwendige Inventarisierung des Kulturgutes des auflösenden Klosters Maria Opferung. Der 49-jährige Innerschweizer studierte in Bern Geschichte und Staatsrecht, seine Fachgebiete sind Militärgeschichte und Kulturgeschichte.

Anzeige

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge